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aus der Welt der Jurisprudenz

Ablehnungsanträge einer Partei nach jeder für sie ungünstigen Entscheidung sind rechtsmissbräuchlich und nicht zu behandeln

Der Kindesvater stellte in einem langjährigen Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren zum wiederholten Male den Antrag auf Ablehnung der zuständigen Richterin wegen Befangenheit.

Dem Ablehnungsantrag des Kindesvaters wurde in allen Instanzen nicht stattgegeben und ausgesprochen, dass weitere Ablehnungsanträge des Kindesvaters, soweit sie sich im Sinne des § 86a Abs 2 ZPO („unklare und wiederholende Schriftsätze sind ohne vorherigen Verbesserungsversuch zurückzuweisen“) in zwecklosen Ausführungen oder in der Wiederholung bereits erledigter oder gleichartiger Ablehnungsgründe erschöpfen, nicht zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden.

Wenn eine Partei nach jeder ungünstigen Entscheidung einen Ablehnungsantrag einbringt (von der Rechtsprechung als „Ablehnungskaskade“ bezeichnet), sind alle weiteren Ablehnungsanträge nach der Judikatur als rechtsmissbräuchlich einzustufen und nicht zum Gegenstand einer Entscheidung zu machen.

Oberlandesgericht Wien vom 2.8.2019, 12 R 44/19g

Die Kindesmutter wurde wegen Bestellung illegaler Substanzen im Internet zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt und erhielt die Weisung zu einer ambulanten Gesprächstherapie und zur Absolvierung regelmäßiger Drogenharntests.

Selbst wenn sich das Kind während der Untersuchungshaft der Kindesmutter beim Kindesvater befand und die Betreuung auch danach gleichteilig zwischen den Eltern erfolgte, bestätigte das Gericht den hauptsächlichen Aufenthalt bei der Kindesmutter. Begründet wurde dies damit, dass es sich in der Zeit der Trennung von Mutter und Kind um einen überschaubaren zeitlichen Rahmen handelte und durch die Verurteilung und die der Mutter auferlegte Weisung keine Kindeswohlgefährdung bestünde, die eine Verlegung des hauptsächlichen Aufenthaltes zum Kindesvater rechtfertigen würde.

BG Leopoldstadt vom 24.05.2019, bestätigt vom Landesgericht für Strafsachen Wien vom 12.7.2019

Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Begrenzung des Restunterhaltsanspruches in Geld wegen der Anrechnung der Naturalleistung des Wohnens des Unterhaltsberechtigten auch im Provisorialverfahren zu erfolgen, um eine Überalimentierung im Bereich Wohnen zu vermeiden. Fraglich ist stets die Höhe des vom Geldunterhaltsanspruch vorzunehmenden Abzuges.

Eine Begrenzung des Unterhaltsanspruches um ein Viertel wurde im gegenständlichen Fall als zu gering erachtet, da das gesamte Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen ist. Im gegenständlichen Fall wurde bei einem rechnerischen Restunterhaltsanspruch in Geld von EUR 440,-- die Berücksichtigung des Teilbereiches „Wohnen“ mit einem Abzug für diese Naturalleistungen in Höhe von € 225,-- als nicht unbillig erachtet und daher lediglich ein Geldunterhaltsanspruch in Höhe von € 215,-- zuerkannt.

Landesgericht Krems an der Donau, 2 R 133/18y

Berücksichtigung der Verbesserung der Gesprächssituation durch Maßnahmen iSd § 107 Abs 3 AußStrG bei Beurteilung des Vorhandenseins der für die gemeinsame Obsorge notwendigen Kommunikationsbasis

Bevor vom Regelfall der beiderseitigen Obsorge abgewichen werden darf, hat bei ausreichender Aussicht auf Erfolg eine fachkundige Beurteilung dahin zu erfolgen, ob die Anordnung von Maßnahmen iSd § 107 Abs 3 AußStrG eine Verbesserung der Gesprächssituation und die Herstellung einer ausreichenden Kommunikationsbasis erwarten lässt. An die erforderliche Aussicht auf Erfolg sind keine strengen Anforderungen zu stellen; sie ist im Zweifel zu bejahen.

Im gegenständlichen Fall wurde nicht festgestellt, ob zwischen den Eltern eine ausreichende Kooperations- und Kommunikationsbasis unter Heranziehung der Mittel des § 107 Abs 3 AußStrG in naher bis mittlerer Zukunft hergestellt werden kann. Ebenso ist das wechselseitige Bemühen der Eltern, auf den jeweiligen anderen Elternteil zuzugehen und dessen Beitrag bei der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung zuzulassen, festzustellen und zu klären, welcher Beitrag dem jeweiligen Elternteil im Fall eines Scheiterns der Herstellung der nötigen Gesprächsbasis zukommt.

LG für ZRS Wien, 45 R 38/19z

Dem Wesen einer gerichtlichen Kontaktrechtsregelung entspricht es, das Kontaktrecht so exakt zu präzisieren (nach Ort, Termin, Dauer und sonstigen Modalitäten), dass es zu einer zwangsweisen Durchsetzung geeignet ist.

Im gegenständlichen Fall erfüllte der Gerichtsbeschluss dies nicht, da lediglich eine bestimmte Häufigkeit für eine konkrete Dauer festgelegt wurde, jedoch weder genaue Anfangs– und Endzeitpunkte noch konkrete, nach objektiven Kriterien bestimmte Modalitäten unter Festlegung dabei bestehender Verpflichtungen und Berechtigungen. Vielmehr wurden diese für eine allfällige Exequierbarkeit unumgänglichen Bedingungen dem Einvernehmen der Beteiligten vorbehalten und eine spätere gerichtliche Beschlussfassung lediglich angekündigt.

LG für ZRS Wien, 44 R 89/19t

Eltern, Großeltern und Pflegeeltern genießen gemäß § 178 ABGB bei der Obsorgezuteilung Vorrang vor Dritten und im Verhältnis untereinander kommt einem Elternteil Vorrang gegenüber Pflegeeltern zu. Allerdings gilt dies nicht in jedem Fall, sondern bei gleicher Eignung bzw. dann, wenn sowohl eine Obsorgezuteilung an einen leiblichen Elternteil also auch an die Pflegeeltern oder einen Pflegeelternteil dem Kindeswohl entspräche.

Im gegenständlichen Fall wurde die Obsorge den Pflegeeltern übertragen, da sich diese nahezu seit der Geburt um alle wesentlichen Belange der Pflege und Erziehung des Kindes kümmerten und jene Bindungen zum Kind aufbauten, die dem Kind ein Umfeld der Sicherheit, Geborgenheit und bestmöglicher Betreuung, einschließlich der Einbindung der leiblichen Angehörigen schufen und erhielten.

LG für ZRS Wien, 44 R 171/18z

Verstöße gegen das Einvernehmlichkeitsgebot entscheidend für Entscheidung über (Teil-)Entzug der Obsorge

Bei der Entscheidung über einen Entzug der Obsorge sind Verstöße eines Elternteils gegen das Einvernehmlichkeitsgebot zu berücksichtigen.

Im gegenständlichen Fall wurden einseitige und ohne Einbeziehung des anderen Elternteils erfolgte Schul- und Kindergartenanmeldungen als grober Verstoß gegen das Einvernehmlichkeitsgebot erachtet. Es ist demnach nicht zu beanstanden, wenn dieser Elternteil in Schul- und Kindergartenangelegenheiten als nicht ausreichend verlässlich beurteilt und ihm/ihr die Obsorge in diesem Teilbereich entzogen wird. Dadurch ist im Sinne des Kindeswohls für die Zukunft gesichert, dass sich derartige Vorgehensweisen des Elternteiles bei künftigem Dissens der Eltern nicht wiederholen.

Landesgericht für ZRS Wien, 45 R 367/18f

Rekurs gegen die Verwerfung der Ablehnung einer/s Sachverständigen im Pflegschaftsverfahren nur bei gleichzeitiger Bekämpfung der Entscheidung in der Hauptsache

Der die Ablehnung des Sachverständigen verwerfende Beschluss des Erstgerichts ist  erst und nur mit Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar. 

Im gegenständlichen Fall erhob die/der Ablehnungswerber jedoch keinen Rekurs gegen die Sachentscheidung, sondern focht nur die Ablehnungsentscheidung gesondert  an. Die selbstständige Anfechtung der Ablehnungsentscheidung ist jedoch unzulässig.

 LG für ZRS Wien, 45 R 51/19m

Unterhaltsanspruch bemisst sich nach inländischem Recht, auch wenn der Unterhaltspflichtige im Ausland lebt

 

Der materiell-rechtliche Unterhaltsanspruch eines in Österreich lebenden Kindes ist, auch wenn sich der Unterhaltspflichtige im Ausland befindet, nach materiell inländischem Recht zu beurteilen. Art 3 des Haager Unterhaltsprotokolls (HUP) beruft das Recht des Staates, in dem die unterhaltspflichtige Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Leben die unterhaltsberechtigten Kinder in Österreich, ist daher eine Bemessung des Unterhaltsanspruches nach der in Österreich herrschenden Prozentwertmethode vorzunehmen.

Im gegenständlichen Fall vermeinte der in Deutschland lebende Unterhaltspflichtige daher zu Unrecht, dass die Unterhaltsbemessung nach der „in Deutschland als Richtlinie geltenden Düsseldorfer Tabelle“ zu erfolgen hätte.

Landesgericht Korneuburg, 20 R 267/18g